Deutsche in der Begegnung mit der Fremde: Christian Thran, Tagebuch [Afrikareise] (1731–33)
Kurzbeschreibung
1731 beauftragte Markgraf Karl Wilhelm von Baden-Durlach (1679–1738) seinen Hofgärtner Christian Thran mit einer Reise durch Nordafrika, um Pflanzen und Tiere für seine höfischen Gärten zu sammeln. Thrans Reise, über die er ein Tagebuch führte, dauerte zwei Jahre. Der erste Textauszug aus seinem Tagebuch erwähnt Befestigungen und andere Grenzmarkierungen zwischen deutschen und französischen Gebieten, die Thran auf seinem Weg nach Afrika sah. Der zweite Auszug berichtet von einer Begegnung mit vier deutschen Ärzten in Algier; da Thran sie als Deutsche beschreibt, rückt dieser Aspekt ihrer Identität in den Vordergrund, wird aber nicht weiter ausgeführt.
Quelle
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Karlsruhe, Basel, Solothurn, Büren, Lausanne (1731)
14. November: Reisete ich unter göttlichem Geleite und in Gesellschaft der von Ihro Königlichen Pohlnischen Majesté und Churfürstlichen Durchlaucht von Sachsen an die Barbarische Cüsten zu reißen beordreten Compagnie morgens um 9 Uhr von Carolsruh ab, des Vorhabens meine Reyße mit gemelter Compagnie nach Africa und weiter anzuttreten. Da dann, nachdeme das lustig und wohlgebaute Schloß Rastatt besehen, des Abends in dem Hochgräfflich Hanauischen Stättlein Lychenau angelanget und daselbst übernachtet. Von da setzte morgens meine Reyße nacher Strasburg fort. Dieser Ort war vor diesem eine freye Reichsstatt, ist aber nunmehro schon bey etlich und 40 Jahren in frantzösischen Händen. Es lieget diese Statt nicht weit von dem Ufer des Rheins, ist zimlich weitläufftig, doch unordentlich gebauet. Ihre Vestungswercker sind nunmehro, da es eine Gräntzvestung gegen Teutschland ist, vortrefflich und die Besatzung darinnen zimblich starck. Das Münster ist eines von denen ältisten Gebäuden in Straßburg und wegen seinen alten Außzierungen vortreflich und sehenswürdig. Das teutsche und frantzösische Hospital ist wohl gebaut, doch ist das erstere seit seinem letzten Brand viel vortreflicher aufgeführet. Das letztere ist so weitläuffig, daß beynahe 1000 Persohnen darinnen Platz haben, es ist aber nur bloß vor die Soldaten. Der Inspector darüber war Mr. Le Meer. In Anatomicis und Chirurgia ist daselbst vieles zu profitiren von gelehrten Sprache H. Dr. Nicolai. H. Profess. Salzmann und H. Profess. Physices Dr. Sachsen.
17. November: Kame von Straßburg nach Orgelsheim.
18. November: Von Orgelsheim nach Hudersheim.
19. November: Von dar nacher Basel. Unterweges passirten wir durch Elsas, ein Ländigen, welches 4 bis 5 Meilen breit. Das Land an sich selber hat eine angenehme Ebene, fruchtbare Felder und angenehme Wälder, auf beyden Seiten aber Berge. Von Ferne sahe man die beyden Festungen Alt Breysach, welche der Schlüssel zu Teutschland genennet wird und Neu Breisach gegenüber, welche denen Franzosen zugehöret.
20. November: Kamen wir endlich nacher Basel. Dieses ist nun der allerbesten Stätte derer Schweitzer. Sie lieget in einem Thal, welches sich zwischen 2 Bergen endiget. Der Rhein fliesset mitten durch die Statt, und zwar mit dem stärcksten Strohm, weil er durch die hart gepresten Ufer, welche von Steinen zu Beschützung der Statt aufgebauet sind, durchstreichet. Das Rathaus daselbst ist ein sehr altes Gebäude, und ist außwendig mit denen berühmten Gemähldern von Hollbeinen außgezieret, welche bereits 2 mahlen wider erneuert worden sind. Übrigens ist es wohl eingerichtet und sind die Sessel des alten und neuen Raths unterschieden. Mitten in dem Hoff des Rathauses stund eine Säuele mit einer Statue, diese Unterschrifft habend:
Honori et Virtuti L: Munatii L: F: L: N: L: P: R: O: N: Planei Cos. Imp. Her. VII Viri Epulonum qui triumph: es Retis Aedem Saturni F: ex Manu Agros divisit in Italia Beneventi In Gallia Colonias Ded: Lugdunum Divae Rauricu Civitas Basilensis ex Bellicosissima Gente Allemannorum in Rauricorum fines transducta Simulacrum hoc ex Senat Autoritate dicandum statuendumque curavit Anno Salutis Christi MCXXC.[1]
Hernach zeigte man das Platerische Cabinet, welches deßwegen merckwürdig, weilen es von Thoma Platero angefangen und von Felice Platero fortgesetzet worden.
Innwendig im Rathauß wurde das vortreffliche Stück, auß 8 Taffeln bestehend und das Leiden Christi vorstellend, gezeiget, vor welches der Churfürst von Trier 30.000 Gulden gebotten.
Die Bibliothec ist sehenswürdig, weilen allda die älteste Editiones vom 15. Seculo anzutreffen, wie dann würcklich allda ein gewisses Buch von Anno 1459 da zu sehen, dessen Titul Rationale officiorum Divinorum per Joh. Faust. et Petr. Schaeffer. Es ist ferner in dieser Bibliothec anzutreffen eine grosse Anzahl von Manuscripten, vornehmlich fast alle Scripta derer alten griechischen und lateinischen Patrum auf Pergament und Papier geschrieben. Ferner war da eine von etwa dem 5ten Seculo griechische Mahlerey, worunter ein Gemählde, allwo ein Engel den Arrium voneinander segte und der Herr Christus ihm die Segen vom Himmel reichte, ist, der Ketzer Macedonius, welchen 2 Teuffel mit sich ziehen, wobey ein Engel mit der Gabel nachschiebet. In Copia findet man allda die Acta Concilii Basiliensis, das Original davon wird in dem Archiv verwahret. Über dieses zeigte man ein Cabinet, so mit unterschiedlichen Gemählden von Hollbein und anderen Künstlern angefüllt. Daselbst funde man einige Seltenheiten von Erasmo, unter andern sein Testament, seinen Tractat Laus stultitiae, an dessen Rande nach Anleitung der Materiae von Hollbein saubere Figuren mit der Feder gezeichnet. Erasmi Ring, wie auch der Terminus Nulli cedo wird auch allda conserviret. Überdiß ist allhier zu sehen ein kleines Cabinet von alten Müntzen und Statuen nebst einer Sammlung der Portraits hoher Standspersonen, welche theils gravirt, theils erhaben. Man zeiget über dieses in Basel 2 rare Statuen aus Ertz, des Apollinis und der Veneris Figur außtrunkende. In dem Baaden Durlachischen Pallast daselbst sahe man eine Collection von vortrefflichen Stücken, theils in Oelfarben, theils en Miniature, deßgleichen ein schönes Müntzcabinet und etwas von gesammleten Naturalien so in Augst gefunden worden, wovon die Figur, wie Jupiter die Juno in Gestalt eines Ochsens entführet. Der Hortus Medicus in Basel ist von geringer Wichtigkeit, die Statt ist weitläuftig und mit sehr alten Gebäuden versehen, ist aber nicht allzu ordentlich gebauet. Es floriret allda die Kauffmannschafft und scheinen die Einwohnen still und ruhig zu leben, dabey aber gute Nahrung zu haben. Die Religion ist reformirt.
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[Algier]
3. März: Bemerkten wir, daß die Einwohner allhier sehr mit Kranckheiten beschwehret, besonders mit Geschwülsten, hectischen Zufällen und venerischen Kranckheiten. Weilen sie nun keine Medicos unter sich haben, bedienen sie sich der hier gefangenen Chirurgoeuren, derer damahl 4 Teutsche da waren, so auf Hamburgischen Schiffen gefangen genommen worden. Diese Leuthe sind aller Arbeith frey, haben kleine Boutiquen, worinnen sie ihre Medicamenta haben, des Sommers müssen sie mit zur See, da sie aber alle Krancken umbsonst curiren müssen. Die Einwohner dieses Landes sind mehristen theils robust, halten aber eine schlechte Diaet; des Morgens essen sie eine Suppe, des Mittags Oliven und Brodt, des Abends aber dick gekochten Reiß oder Fleisch, so sie in Stücken schneiden, an einen Spieß stecken und in einem Haffen braten. Ihr Tranck ist mehrentheils Sorbet, das ist Wasser mit Rosinen gekocht oder Citronensafft mit Zucker und Wasser, Caffe ohne Zucker, welcher aber mehrentheils nicht gekocht, sondern es wird Caffee in eine Schaale gethan und siedend Wasser darüber gegossen. Opium gebrauchen sie sehr starck, sonderlich auf der See, wann sie mit denen Christen schlagen.
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Anmerkungen
Quelle: Eine Afrikareise im Auftrag des Stadtgründers: Das Tagebuch des Karlsruher Hofgärtners Christian Thran 1731 bis 1733. Herausgegeben von Peter Pretsch und Volker Steck, mit Beiträgen von Helmut Carolus, Christian Dauber u.a. Veröffentlichungen des Stadtarchivs Karlsruhe, 30. Karlsruhe: INFO Verlag, 2008, S. 107–10, 138.