Eine ethnografische Perspektive: Georg Forster, Reise um die Welt (1777/80)
Kurzbeschreibung
Von 1772 bis 1775 begleitete Georg Forster (1754–1794) seinen Vater Johann Reinhold Forster (1729–1798) auf Captain James Cooks zweiter Reise in den Pazifik, bei der Vater und Sohn naturkundliche und ethnografische Informationen über die verschiedenen Reiseziele, insbesondere Polynesien, sammelten. Georg veröffentlichte 1777 seinen Bericht in London (auf Englisch) und verfasste kurz darauf seine eigene deutsche Übersetzung. Das Werk wurde sehr gut angenommen und wurde zu einem wichtigen Modell für Reiseberichte. Dieser Auszug ist eine der wenigen Passagen, in denen Deutsche erwähnt werden, und die relative Unaufmerksamkeit, die Forster der Kategorie entgegenbringt, ist von Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf die ethnografischen Interessen des Autors und seine eigene Situation als Deutscher auf einer „englischen“ Expedition.
Quelle
Eilftes Hauptstuͤck.
Zweeter Aufenthalt am Vorgebuͤrge der guten Hofnung. — Lauf von da nach St. Helena und Ascensions-Eiland.
[…]
Wir liefen durch die noͤrdliche Ausfahrt zwischen dem vesten Lande und Robben-Eiland, oder Pinguin-Eiland, wie es die Englischen See-Charten nennen. Dies ist ein unfruchtbarer Sandhuͤgel, woselbst viele Moͤrder und andre Uebelthaͤter auf Befehl der Hollaͤndischen Ostindischen Compagnie bewacht werden. Darunter befinden sich aber auch etliche ungluͤckliche Schlachtopfer dieser grausamen, ehrgeizigen Gewuͤrz-Kraͤmer. Wir duͤrfen nur den Koͤnig von Madure anfuͤhren, der seines Reichs entsetzt, und zur schrecklichsten Verzweiflung getrieben, hier sein Leben als gemeiner Sklave kuͤmmerlich zubringen muß.[1])
— — — escape who can
When man’s great foe assumes the shape of man.
Cumberland.
[…]
Am 28ten des Morgens, ward ein Mann im untern Schifs-Raum versteckt gefunden. Bey der Untersuchung fand man, daß einer der Bootsleute (Quartermasters) ihn etliche Tage zuvor dorthin gefuͤhrt, und seine taͤgliche Portionen mit ihm getheilt hatte. Seine Gutherzigkeit ward mit einem Dutzend Streichen belohnt, und der arme Fremde kriegte auch ein Dutzend zum Willkommen. Es war ein ehrlicher Hannoveraner, den ein Ziel-verkooper gestohlen, und zu hollaͤndischen Diensten gezwungen hatte. Er hatte sich am Cap an Capitain Cook gewandt, und um seinen Schutz gebeten. Dieser Schutz, der allen englischen Unterthanen mit Recht zukommt, ward ihm aber, als einem Deutschen rund abgeschlagen, und so mußte er verstohlner Weise an Boord kommen, um einem harten Dienste zu entgehen, wozu man ihn unrechtmaͤßiger Weise gezwungen. Er zeigte sich bald als einen der fleißigsten Leute im ganzen Schif, und machte sich unter der Mannschaft beliebt, die sonst nicht geglaubt, daß ein Hannoveraner so gut ein tuͤchtiger Kerl als ein andrer seyn koͤnne.
[…]
Anmerkungen
Quelle der deutschen Übersetzung: Johann Georg Forster, Reise um die Welt während den Jahren 1772 bis 1775 in dem von Seiner itztregierenden Grossbrittannischen Majestät auf Entdeckungen ausgeschickten und durch den Capitain Cook geführten Schiffe the Resolution unternommen. Zweeter Band. Berlin: bey Haude und Spener, 1780, S. 427, 432–33. Online verfügbar unter: http://www.deutschestextarchiv.de/book/show/forster_reise02_1780
Quelle des englischen Originaltextes: George Forster, A Voyage around the World in his Britannic Majesty’s Sloop, Resolution, commanded by Capt. James Cook, during the years 1772,3,4, and 5. Vol. II. London, 1777, S. 548, 556–57. Online verfügbar unter: https://archive.org/details/bub_gb_E9RaAAAAcAAJ/page/n3