Theodor Körner identifiziert Kunst, Krieg und deutsches Vaterland (1813)
Kurzbeschreibung
Der Dichter Theodor Körner (1791–1813) wurde zu einem Helden der nationalistischen Mythenbildung, welche die Kriege gegen Napoleon als „Befreiungskriege“ feierte. Er wurde als „Dichter und Denker“ inszeniert, der zum „Kämpfer“ für die Nation geworden und für sie gestorben sei. In seinem posthum veröffentlichten Gedichtband „Leyer und Schwerdt“ verschmolz Körner Kunst und Krieg bereits im Titel.
Quelle
Wo ist des Sängers Vaterland? —
Wo edler Geister Funken
sprühten,
Wo Kränze für das Schöne blühten,
Wo starke
Herzen freudig glühten,
Für alles Heilige entbrannt,
Da
war mein Vaterland!
Wie heißt des Sängers Vaterland? —
Jetzt über seiner Söhne
Leichen,
Jetzt weint es unter fremden Streichen,
Sonst
hieß es nur das Land der Eichen,
Das freie Land, das deutsche
Land!
So hieß mein Vaterland!
Was weint des Sängers Vaterland? —
Daß vor des Wuthrichs
Ungewittern,
Die Fürsten seiner Völker zittern,
Daß ihre
heil'gen Worte splittern,
Und daß sein Ruf kein Hören
fand,
Drum weint mein Vaterland!
Wem ruft des Sängers Vaterland? —
Es ruft nach den
verstummten Göttern,
Mit der Verzweiflung
Donnerwettern,
Nach seiner Freiheit, seinen Rettern,
Nach
der Vergeltung Rächerhand.
Der ruft mein Vaterland!
Was will des Sängers Vaterland? —
Die Knechte will es
niederschlagen,
Den Bluthund aus den Gränzen jagen,
Und
frei die freien Söhne tragen,
Oder, frei sie betten unterm
Sand.
Das will mein Vaterland!
Und hofft des Sängers Vaterland? —
Es hofft auf die gerechte
Sache,
Hofft, daß sein treues Volk erwache,
Hofft auf des
großen Gottes Rache,
Und hat den Rächer nicht
verkannt.
Drauf hofft mein Vaterland!
Quelle: Theodor Körner, „Mein Vaterland“, in Leyer und Schwerdt. Berlin: Nicolai, 1914, S. 23–24. Online verfügbar unter: http://www.deutschestextarchiv.de/koerner_leyer_1814
Weiterführende Inhalte
Karen Hagemann, Revisiting Prussia’s Wars Against Napoleon. History, Culture, Memory. Cambridge: Cambridge University Press, 2015.