Rede Bundeskanzler Gerhard Schröders gegen den Krieg im Irak (18. März 2003)
Kurzbeschreibung
Nur wenige Jahre nach der deutschen Intervention im Kosovo sprach sich Bundeskanzler Gerhard Schröder gegen eine deutsche Beteiligung an der von den Vereinigten Staaten geführten Invasion des Irak aus. Schröder hatte zuvor deutsche Truppen zur Unterstützung der Invasion von Afghanistan verpflichtet, eine Intervention, die nach den Terroranschlägen gegen die USA vom 11. September 2001 auf breite internationale Zustimmung gestoßen war. Der Irak war jedoch eine andere Sache. In einem kurzen, im Fernsehen übertragenen Appell wandte sich Schröder direkt an die deutsche Bevölkerung, die er als „liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger“ ansprach. Die Ansprache war sorgfältig inszeniert: In dunklen Tönen gekleidet, wurde Schröder auf der einen Seite von den Flaggen Deutschlands und der Europäischen Union eingerahmt; hinter ihm befand sich ein Fenster mit Blick auf das Berliner Regierungsviertel. Das Brandenburger Tor und der Bundestag mit seiner symbolträchtigen Kuppel waren im Hintergrund deutlich zu erkennen. Einen Videolink zur Rede finden Sie unter weiterführende Literatur. Das Bild unten stammt vom deutschen Fernsehsender ARD. Die vollständige Quellenangabe befindet unterhalb des transkribierten Redetextes.
Quelle
Fernsehansprache Bundeskanzler Gerhard Schröders am 18. März 2003
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!
Die Welt steht am Vorabend eines Krieges. Meine Frage war und ist: rechtfertigt das Ausmaß der Bedrohung, die von dem irakischen Diktator ausgeht den Einsatz des Krieges, der tausenden von unschuldigen Kindern, Frauen und Männern den sicheren Tod bringen wird? Meine Antwort in diesem Fall war und ist „Nein“. Der Irak ist heute ein Land, das von der UNO umfassend kontrolliert wird. Was der Weltsicherheitsrat an Abrüstungsschritten verlangt hat, wird mehr und mehr erfüllt. Deshalb gibt es keinen Grund, diesen Abrüstungsprozess jetzt abzubrechen. Meine Regierung hat zusammen mit unseren Partnern für den immer größer werdenden Erfolg von Hans Blix und seinen Mitarbeitern hart gearbeitet. Wir haben das stets als unseren Beitrag für den Frieden in der Welt verstanden. Das entspricht den Grundwerten, denen wir uns verpflichtet fühlen. Mich berührt tief, daß ich mich mit dieser Haltung einig weiß mit der übergroßen Mehrheit unseres Volkes, aber auch mit der Mehrheit im Weltsicherheitsrat und den Völkern dieser Welt. Ich habe Zweifel, ob der Frieden in den nächsten Stunden noch eine Chance bekommt. So wünschenswert es auch ist, daß der Diktator sein Amt verliert, das Ziel der Resolution 1441 ist die Entwaffnung des Iraks von Massenvernichtungswaffen.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, was immer in den nächsten Tagen oder gar Wochen geschieht, Sie können sich darauf verlassen, daß meine Regierung unbeirrt jede noch so kleine Chance für den Frieden in der Welt nutzen wird.
Die Vereinten Nationen bleiben der Rahmen dafür und Sie können sich darauf verlassen, daß wir alles unternehmen werden, um jedes erdenkliche Maß an Sicherheit in unserem Land zu gewährleisten. Ich habe geschworen, den Nutzen unseres Volkes zu mehren und Schaden von ihm abzuwenden. Das gilt vor allem in Zeiten des Krieges. Ich werde mich daran halten und vertraue auf Ihren Friedenswillen und auf Ihre Unterstützung.
Quelle: Fernsehansprache Bundeskanzler Gerhard Schröders am 18. März 2003. Text der Rede aus der Originalsendung transkribiert von Elisabeth Mait. Die Original-Fernsehsendung ist online verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=QO4dV7pohw8
Ein veröffentlichtes Transkript der Ansprache ist online verfügbar als „Erklärung von Bundeskanzler Schröder zur aktuellen Lage im Irak“ unter: https://www.zeit.de/politik/erklaerung_schroeder
Quelle: ARD-Fernsehbild; Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) spricht am Dienstag, 18. März 2003, einige Stunden nach der Fernsehansprache von US-Präsident George W. Bush, zur deutschen Öffentlichkeit.
© picture alliance/ dpa/ ARD
Weiterführende Inhalte
David P. Conradt, Gerald R. Kleinfeld und Christian Søe, Hrsg., A Precarious Victory: Schroeder and the German Elections of 2002. New York: Berghahn Books, 2004.
Jörg Echternkamp und Stefan Martens, Hrsg., Experience and Memory: The Second World War in Europe. New York: Berghahn Books, 2013.
Wulf Kansteiner, In Pursuit of German Memory: History, Television, and Politics after Auschwitz. Athens: Ohio University Press, 2006.
Christina Morina, Legacies of Stalingrad: Remembering the Eastern Front in Germany since 1945. Cambridge und New York: Cambridge University Press, 2011.
Maja Zehfuss, Wounds of Memory: The Politics of War in Germany. Cambridge und New York: Cambridge University Press, 2007.
„German Chancellor Says Iraq War Not Justified“, 18. März 2003, AP Archives, https://www.youtube.com/watch?v=QO4dV7pohw8 (letzter Zugriff 1. Juni 2021)