Alexandra: Eine westdeutsche Sängerin sehnt sich nach dem verlorenen Osten (1969)

Kurzbeschreibung

Alexandra, geb. Doris Treitz (1942–1969), war im Westdeutschland der späten 1960er Jahre eine bekannte Schlagersängerin. Sie wurde in der Region Klaipėda (deutsch: Memelland) geboren, die heute zu Litauen gehört. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs floh ihre Familie in den Westen, und Treitz verbrachte einen Großteil ihrer Kindheit in Kiel. Anfang der 1960er Jahre zog sie nach Hamburg, wo sie Modedesign studierte, in Bars und Clubs sang und schließlich den Künstlernamen Alexandra annahm. 1965 war sie kurzzeitig Sängerin bei den City Preachers, der ersten deutschen Folk-Rock-Gruppe. Der Durchbruch gelang Alexandra 1967 mit ihrem ersten Hit „Zigeunerjunge“. Ihr zweiter Hit war „Sehnsucht/Das Lied der Taiga“ von 1968. Viele von Alexandras Liedern nehmen durch ihre Thematik, ihren folkloristischen Stil, ihre Anlehnung an slawische Musiktraditionen oder ihre Verwurzelung in bestimmten Landschaften Bezug auf den ehemaligen deutschen Osten.

Alexandras dritter und letzter Chart-Hit „Erstes Morgenrot“ aus dem Sommer 1969 beschreibt, wie der Anbruch eines jeden neuen Tages eine frische Erinnerung an den Verlust der Heimat bringt. Das Lied beginnt wie folgt: „Erstes Morgenrot über den tiefen Wäldern. / Wolken treibt der Wind, Nebel liegt auf den Feldern. / Erstes Morgenrot bringt mir den Gruß der Heimat. / Aus dem fernen Land, wo meine Wiege stand.“

Da Alexandra Klaipėda schon als Kleinkind verlassen hatte, kannte sie die Region nicht direkt. Daher müssen Familienüberlieferungen eine beträchtliche Rolle dabei gespielt haben, ihre Wahrnehmung einer Heimat zu prägen, an die sie sich wahrscheinlich kaum erinnern konnte. Die Vorstellung einer angestammten Heimat übte offensichtlich einen starken Einfluss auf Alexandra (und andere Vertriebene) aus, und der Text von „Erstes Morgenrot“ zeugt von einer anhaltenden Identifikation mit der Landschaft, dem Klima, der Geografie und der Folklore von Klaipėda: „Ich seh‘ die Birken im Sonnenlicht steh‘n silbern vom Tau der kühlen Nacht. / Und kann die Worte der Lieder versteh‘n die mich so glücklich gemacht.“ Eine Verbundenheit nicht nur mit dem Ort, sondern auch mit den Menschen kommt in den Worten zum Ausdruck: „Ich seh‘ die Schwäne hoch über dem Feld auf ihrem Fluge nach Norden; / Was ist aus all den Vertrauten zu Haus und aus den Freunden geworden? Erstes Morgenrot bringt mir die schönsten Träume / aus dem fernen Land, wo meine Wiege stand.“

Obwohl Alexandra nicht direkt in die Vertriebenenpolitik involviert war, spiegelt ihre Romantisierung des Ostens eine persönliche, familiäre und kollektive Erinnerung an die Heimat wider. Wie viele andere deutsche Vertriebene klammerte sich Alexandra an eine subjektive Sicht des „verlorenen Ostens“ – und popularisierte diese schließlich –, die an Natur/Landschaft gebunden war und Bezüge zum Holocaust, dem Krieg und dem Schicksal der ansässigen jüdischen Bevölkerung vermied.

Alexandra starb am 31. Juli 1969 im Alter von siebenundzwanzig Jahren bei einem Autounfall, etwa zu der Zeit, als „Erstes Morgenrot“ veröffentlicht wurde. Obwohl Alexandras Karriere nur kurz war und ihr Tod mehr als fünfzig Jahre zurückliegt, ist sie in der deutschen Öffentlichkeit immer noch präsent – das zeigt das anhaltende Interesse an ihrem Leben und Werk und die Existenz einer aktiven Fangemeinde.

Das Foto unten aus dem Jahr 1969 zeigt Alexandra bei einem Auftritt in einer der ersten Sendungen der ZDF-Hitparade, einer beliebten und lange laufenden Musiksendung im westdeutschen Fernsehen.

Quelle

Quelle: Alexandra, deutsche Sängerin, Deutschland 1969. Fotograf: United Archives / kpa / Grimm

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Alon Confino, „‚This Lovely Country You Will Never Forget‘. Kriegserinnerungen und Heimatkonzepte in der westdeutschen Nachkriegszeit“, in Das Erbe der Provinz. Heimatkultur und Geschichtspolitik nach 1945, herausgegeben von Habbo Knoch. Göttingen: Wallstein, 2001, S. 235–51.

Alexandra: Eine westdeutsche Sängerin sehnt sich nach dem verlorenen Osten (1969), veröffentlicht in: German History Intersections, <https://germanhistory-intersections.org/de/deutschsein/ghis:image-94> [05.12.2024].